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Arkona -- Schinkelturm -- Alter LT



 
Heimatkurier Mecklenburg-Vorpommern

Artikel vom 01.03.2010


Zweifel an Urheberschaft
 
Architektur. Stammt der Entwurf zum „Schinkelturm“ auf Kap Arkona wirklich vom großen preußischen Baumeister?Wohl nicht – auch, wenn die Pläne seine Signatur tragen.

Von Rita Gralow

Mit seiner ungewöhnlichen kubischen Form gehört der Leuchtturm am Kap Arkona zu den populärsten Bauten, die Karl Friedrich Schinkel zugesprochen werden. Die Namensgebung „Schinkelturm“ scheint damit eindeutig und klar. Offenbar besteht kein Anlass,wohl auch kein Interesse, an dieser Urheberschaft zu zweifeln. „Schinkel“ gilt als ein Markenzeichen, das für exzellente Architekturideen steht und jene Orte, die auf seine Schöpfungen des bedeutenden Baumeisters verweisen können, sind sich großer Aufmerksamkeit und vieler Besucher gewiss. Es scheint indes ein Haken an der Sache zu sein. Spätestens seit den quellenanalytischen Untersuchungen von Reinhart Strecke steht Schinkels Anteil am Leuchtturm in Frage.

Mit den Ergebnissen des Wiener Kongresses 1815 waren die ehemaligen schwedisch-pommerschen Gebiete nördlich der Peene nach Preussen gekommen, wodurch sich dessen Ostseeküste um einen schifffahrtsmäßig schwierigen Küstenabschnitt erweitert hatte. Aufgrund der zahlreichen Unglücke an Rügens Nordspitze wurde ein Leuchtturm auf dem über 30m hohen Kreidefelsen am Kap Arkona für den Seeverkehr zu einer dringenden Notwendigkeit. Der Vorschlag eines typischen Rundturmes war schnell vom Tisch. Stattdessen sollte ein viereckiger her, damit der für den Feuerwärter erforderliche Platz gleich mit in den Bau integriert werden konnte.

Der nur 21 Meter hohe Sichtziegelbau auf quadratischem Grundriss von etwa 8x8m besitzt drei Etagen.Innen war er äußerst zweckmäßig geplant. Über dem Keller mit Öllager und Wirtschaftsraum lag das Erdgeschoss mit dem Wohnbereich der Leuchtturmwärterfamilie. Für die Schlafstellenwaren in den mehr als 5mhohen Räumen Zwischenböden eingezogen. Im ersten Obergeschoss befanden sich die Kommissionsstuben, die im Bedarfsfall zur Beherbergung Auswärtiger dienen konnten; das zweite Obergeschoss fungierte als eigentlicher Arbeitsbereich mit Platz zur Aufbewahrung, Reinigung und Instandsetzung der Lampen und Scheinwerfer. Von hier aus führte eine gusseiserne Wendeltreppe auf die Außenplattform zur Laterne, in der die Öllampen und Parabolspiegel montiert waren.

 
Außen zeigt der Leuchtturm eine sehrungewöhnliche Bauform. Die Geschosse sind jeweils mit kräftigen Gesimsen zurückgesetzt. Jede Turmseite stellt drei Achsen mit hochrechteckigen Blendnischen, in die sich die Tür, die Fenster und Blindfenster mit abgetreppten Gewänden einpassen. Wegen seiner betonten Gliederung und konstruktiven Ästhetik nimmt der Turmeinen zentralen Platz in der Architekturgeschichte ein. Die für einen technischen Zweckbau so einmalige Gestaltung mit Hilfe traditioneller Stilkriterien treffend charakterisieren zuwollen, ist allerdings schwierig und verliert sich irgendwo zwischen Neugotik und Klassizismus.

Zwei Jahre nach der Inbetriebnahme des Leuchtfeuers am 1. Januar 1828erschien in dem großformatigen Druckwerk „Bauausführungen des Preußischen Staates“ ein Beitrag des Oberbaurates August Adolph Günther, der den Leuchtturm als „Entwurf der Königl. Ober-Bau-Deputation“ vorstellt. Schinkel findet in diesem Zusammenhang nicht nur keine Erwähnung,im Vorwort ist sogar eine gewisse Abgrenzung zu den klassischen architektonischen Entwürfen und der „schönen Baukunst“ des Geheimen OberbauratsSchinkel erkennbar, dessen Werke kostbar, den Vermögensumständen jedoch selten angemessen seien.

Die eigentliche Ursache für die irrtümliche Zuweisung ist das 1863 von Schinkels Schwiegersohn, Alfred von Wolzogen, veröffentlichte Werkverzeichnis, in dem der Leuchtturm im Nachtrag unter den „AusgeführtenBauten Schinkels“ genannt wird. Als Beleg für Schinkels Einfluss bei der Leuchtturmprojektierung werden auch immer wieder zwei Zeichnungen angeführt. Die berühmteste ist die Ansicht „Für den Leuchtthurm auf dem Vorgebirge Arcona“. Schinkels Signatur oben rechts kann – nach Strecke – jedoch keinesfalls als Nachweis für seine Urheberschaft angesehen werden. Vielmehr handele es sich hierbei um einen verwaltungsinternen Prüfvermerk, der sich aus der Arbeitsweise der Behörde erklärt. Die Oberbaudeputation als zentraler gutachterlicher Fachausschuss besaß die planende und überwachenden Kompetenz für alle öffentlichen Bauten des preußischen Staates. Die Beschlussfindung erfolgte im „Circularverfahren“, das heißt die Bauvorhaben wurden vom jeweils zuständigen Sachverständigen bearbeitet und dann einer gegenseitigen Revision unterzogen. Dass Schinkel im Falle des Leuchtturmes, der in den Bereich des für „Wasserbauten“ zuständigen Oberbaurats Günther fiel, Einfluss genommen hat oder nehmen konnte, ist nicht belegt. Im Grunde ist dies auch unerheblich. Vielmehr ist das kollektive Bestreben der oberen Preußischen Baubehörde, beispielgebende Bauwerke zu veranlassen und sowohl im Entwurf als auch in der Ausführung Maßstäbe zu setzen, die jenseits der üblichen Gestaltungsschemata lagen, zu würdigen.

Schinkel hat den Leuchtturm nachweislich das erste mal 1835 im Rahmen seiner großen Dienstreise durch die Altmark, die Neumark und Pommern in Augenschein genommen. Zu diesem Zeitpunkt war das Leuchtfeuer schon sieben Jahre in Betrieb. Er selbst gibt keinen Hinweis auf irgendeinen Anteil, den er an diesem Bau hatte. In seinem Dienstreisebericht heißt es lediglich: „Ein ganz solide ausgeführter Bau, der auf seinem Fleck recht viel Wirkung macht. Die sämtlichen Details an Gesimsen sind etwas zu schwer ausgefallen, wodurch das Verhältnis gedrückter erscheint, als es hätte werden können.“ Die Einschätzung mag stimmen – es klingt indes auch ein wenig nach Künstlerneid. Wie auch immer. Die versteckte Anerkennung adelt den Bau über alle Maßen. Vielleicht hätte es Schinkel gefreut, Namensgeber des Leuchtturmes zu sein.

Reinhart Strecke, „Schinkel und der Leuchtturm auf Kap Arcona“, Jahrbuch preußischer Kulturbesitz 32, Berlin 1995